Algerien 1993

Der Motor brummt, ich drehe am Gas, das Quad schießt vorwärts und ich fliege die Düne hinauf.
Oben angekommen, gehe ich vom Gas weg, mein Herz macht einen kurzen Sprung, die Warrior kippt nach unten und die Maschine rutscht den Hang hinunter.
Dann wieder Gas aufnehmen, denn die nächste Düne wartet auf uns.

Ich bin im Dünenrausch, rauf und runter, rauf und runter. Ich hätte nie gedacht, dass dies sooo viel Spaß machen könnte. Daß ein Quad in den Dünen gut ist, hatte ich mir gedacht, aber noch mit vollem Gepäck so geländegängig? Nee!

Dabei hatten mich viele vorher gewarnt, mit einem “solchen Quad“ in die Wüste kann ja gar nicht gut gehen. Und obwohl ich keinerlei Erfahrung Anderer nutzen konnte (nur Udo Dederichs mit seinen Rennerfahrungen und der ein oder andere, der so ein Ding mal gesehen hatte, konnte mir überhaupt etwas erzählen), schließlich war ich meines Wissens der Erste, der mit Quad mit vollem Gepäck und autark in die Sahara gefahren ist.

Diese Skepsis, dass ein Quad nicht geeignet für die Wüste sei und ein rechtsradikaler Umgang mit den Einheimischen, mit dem ich nicht einverstanden war, führte dann auch dazu, dass mich meine Reisepartner kurz hinter der algerischen Grenze im Stich gelassen hatten. Ursprünglich war geplant, durch das große östliche Erg von El Oued über Bir Djedid in Richtung Deb-Deb zu fahren.
Verabredet hatten wir uns zu drei Fahrzeugen, ein Unimog, ein umgebauter Range-Rover und mein Quad.
Plötzlich wurden es auf der Fähre noch zwei Land-Rover mehr, von denen ich nichts wusste und ich wurde auch nicht vorher gefragt (später fand ich heraus, dass sie sich schon Wochen vorher verabredet hatten). Da fingen die Schwierigkeiten schon an.
Als ich dann am Lagerabend – die tunesisch-algerische Grenze war gerade passiert- meinen Unmut kund tat, hatte ich plötzlich eine ganze Front gegen mich. Was mir mit meinem kleinen Gefährt denn einfiele, ich hätte da gar kein Recht, und so weiter…. Und überhaupt, könnte mich keiner da mit rausnehmen, wenn ich eine Panne hätte (wohlgemerkt –ein moderner Unimog, und die beiden Landys hatten eine riesige Abschleppstange dabei, um sich gegenseitig heil nach Hause zu schleppen). All diese Scheinargumente wurden aufgetischt, um mich loszuwerden.

Da ich zwar einerseits die Strecke durch die Dünen machen wollte, ich aber andererseits nichts mit solchen Menschen zu tun haben wollte, zog ich dann am anderen Morgen von dannen, um schweren Herzens alleine und unabhängig meine Wege zu ziehen.
Ich habe in diesem Urlaub lange an dieser Situation denken müssen.

Nun war ich alleine, mitten durchs Erg konnte ich nicht mehr, also beschloss ich, immer parallel der Piste den Erg zu umrunden, von Touggurt über Hassi Messaoud nach Deb-Deb zu fahren, die Piste immer im noch zu Fuß erreichbaren Abstand zu halten, unm dort meinen Dünenspaß zu haben.
Eine Entschädigung des Verlassenseins war sicherlich das Gefühl, im großen Erg Oriental mitten in den Dünen zu sein, und zu wissen, weit und breit ist kein Mensch - und ich bin völlig alleine!
Dieses Erlebnis hätte ich nie gehabt, wenn ich in der Reisegruppe geblieben wäre.
Unbeschreiblich schön für mich, da mir Alleinsein nichts ausmacht.

Traurig und trotzig bin ich von El Oued losgefahren und habe dann noch miterleben müssen, wie einer der Land Rover Fahrer mich noch freundlich gegrüßt hat, als wir uns nochmals auf der Straße begegneten. Das war dann noch die Höhe!

Etwas aufgemuntert hat mich dann doch schnell die Reaktion der Leute und vor allem die der Kinder, die sich sonst einen Spaß erlauben und Touristenfahrzeuge mit Steinen zu bewerfen.
Kaum hörten die das Brummen des 350ccm Eintopfes, hatten sie Steine in den Händen.
Aber als sie dieses Gefährt mit 4 Rädern sahen, haben sie vor lauter Staunen den Mund weit aufgerissen und vergessen, dass sie überhaupt Steine schmeißen wollten. So was kannten die noch nicht!
Stand ich irgendwo, hatte ich eine Traube von Menschen um mich rum, die alles wissen wollten, wirklich alles. Geduldig gab ich ihnen Antworten: wie schnell, wie viel PS, wie viel Kubik, wie teuer, usw….
Auch wurde ich des öfteren eingeladen, wie zum Beispiel zum hervorragenden Mittagessen im Ölbohrlager von Rhourd-el-Baguel, wo ich auch mit hervorragendem Wasser versorgt wurde. Die Menschen waren sehr nett und freundlich.

So richtig interessant wurde es dann hinter Rhourd-el-Baguel, da ich dort immer bis zu 10 Kilometer von der Piste entfernt durch die Dünen gefahren bin und so mein Quad an die Grenze treiben konnte. Es war wundervoll. Keine Düne war zu steil, keine Düne zu hoch. Ich konnte Strecken fahren, die mir mit dem Motorrad zu gefährlich und mit dem Geländewagen (alles hatte ich schon ausprobiert) nicht möglich erschien.
Trotz des Gepäckes (ich hatte 90 Liter Sprit und 30 Liter Wasser dabei, plus Ausrüstung) ging das nur hinterradangetriebene Quad so gut durch den Sand, dass es eine Freude war.
Hatte ich noch bei El Oued Anfangs Probleme im Sand, war hier nicht davon mehr zu merken. Die behindernden Hinterrad-Schmutzfänger waren abgesägt, die zogen mich nur nach unten, die Fahrtechnik hatte ich angepasst, und los ging es. Ich habe noch nicht einmal die Geländeuntersetzung mehr aufgezogen, die Straßenritzel und Kettenräder waren ausreichend. Luft ablassen habe ich dann auch nicht mehr gemacht (ich hatte für die Straße etwas mehr als die 0,25 Bar Druck im Reifen), trotz des groben Profils war die Auflage der breiten Reifen ausreichend für den weichen Sand. Und tief eingesunken ist die ganze Fuhre auch nicht, die Spuren waren am anderen Morgen schon fast nicht mehr zu sehen.

Gefahren bin ich diese Strecke bis Sif Fatima. Vielmehr, ich wollte bis Sif Fatima fahren, hatte ich doch nur schönste Berichte von diesem kleinen ehemaligen Fort der Franzosen
gehört. Dies wollte ich auch finden, war aber gar nicht so einfach, nur mit Karte und Kompass und ohne GPS einen Punkt in der Wüste genau anzusteuern.
Ich habe es nicht gefunden!
Aber was ich gefunden hatte, war die Erkenntnis, dass man auch mit dem besten Gefährt die physikalischen Kräfte nicht außer Funktion setzen kann.
Beim Suchen nach dem Fort drehte ich mich bei langsamer Fahrt nach hinten, um vielleicht doch noch was zu sehen. Dabei bemerkte ich nicht, dass die kleine Düne, auf deren Hang ich mich befand, in Längsrichtung immer steiler wurde. Durch meine Körperverlagerung nach Hinten und zur hangunteren Seite kippte der Schwerpunkt, und damit auch das Quad auf die Seite. Ich konnte es nicht mehr aufhalten und war froh, dass mir nichts passiert war.
Damit hatte ich aber eine gute Gelegenheit, einmal unter das Quad zu schauen.

Mit Gepäck war auf Grund des Gewichtes gar nicht an Aufrichten alleine zu denken. Ich musste erst alle schweren Gepäckstücke abschnallen, um dann den Akt des Aufrichtens vollziehen zu können.

Sif Fatima war damit für mich gegessen und mein südlichster Punkt auf dieser Reise auf Grund der Zeit auch erreicht. Mich tröstete nur, dass auch Profis wie Thomas Trossmann und andere dieses Fort ohne GPS auch nicht immer finden konnten.

Der Rückweg hat dann genauso viel Spaß gemacht wie der Hinweg, waren die Dünen doch die gleichen. Übrigens habe ich so einige Militärkontrollen an der Strasse umfahren können.
Menschen habe ich nicht viele getroffen, war doch auf der Piste nicht viel los und neben der Piste nun gar nicht.
Nur einmal habe ich auf der Piste ein Motorgeräusch gehört, was ich nicht einsortieren konnte. Es hörte sich an wie eine Goldwing. Im Rückspiegel sah ich aber nichts und war dann zu Tode erschrocken, als ich plötzlich im Schatten eines kleinen Flugzeuges fuhr, dass ca. 30 Meter über mir flog, um sich das ungewöhnliche Gefährt einmal anzuschauen.

Kurz vor Hassi Messaoud ereilte mich dann das Schicksal, dass trotz Sicherungsblech meine Ritzelmutter beschlossen hatte, das Weite zu suchen. Zurückzufahren, und sie zu suchen, macht im Sand nicht viel Sinn. Trotzdem habe ich es versucht – ohne Erfolg.
Ersatz hatte ich natürlich –laut Murphey- nicht dabei.
So musste ich alle 20 km kontrollieren, ob das Ritzel noch auf der Welle lag und gegebenenfalls nachjustieren. Zum Glück hatte ich die Zeit dazu.
Erst in Touggourt habe ich einen Dreher gefunden, der mir aus einer alten Mutter eine neue Ritzelmutter mit Feingewinde geschnitten hat.
Nachdem ein Kanister den Besitzer gewechselt hatte, konnte ich fröhlich weiterziehen, den Kindern, die wieder vergessen hatten, Steine zu schmeißen, zuzuwinken, um so wieder tunesischen Boden zu betreten.
Wieder verbrachte ich ein paar Tage in der Medina von Tunis. Leider passte das Quad nicht in die Jugendherberge inmitten der Altstadt, die ich nur empfehlen kann. So musste ich mir ein Hotel mit einer genügend großen Eingangshalle suchen, in der das Quad sicher abgestellt werden konnte.

Ich liebe die Medina von Tunis, und zwar die Ecken, wo sich sonst kein Tourist hinbewegt. Ich liebe diese Ursprünglichkeit, das alte Leben, ohne dass immer wieder ein Teppichhändler oder Klamottenverkäufer meint, mir seine Ware anbieten zu müssen.

Nach diesen erholsamen Tagen hatte ich bei der Minikreuzfahrt auf der Habib Zeit, die Reise, die Probleme und die Freude damit, Revue passieren zu lassen, mit Bekanntschaften, die ich auf der Fahrt getroffen hatte, Erfahrungen bei einem Kaffee auszutauschen und von der nächsten Fahrt zu träumen.

Mit Quad – natürlich!